Positive Verstärkung bei der Hundeerziehung – Trend oder Notwendigkeit?
Wer sich einen Hund als treuen Lebensbegleiter ausgewählt hat, wird schnell mit der Frage konfrontiert, wie man diesen am besten erzieht. Hundeschulen haben dazu mittlerweile unterschiedliche Haltungen. So gibt es auf der einen Seite traditionelle, aversive Erziehungsansätze, auf der anderen Seite Trainer, die den Fokus auf positive Verstärkung setzen. Was dahinter steckt und ob dieser Ansatz so sinnvoll ist, wie immer behauptet wird, durchleuchten wir in diesem Beitrag.
Positive Verstärkung vs. aversiver Ansatz
Die positive Verstärkung ist grundsätzlich ein guter Ansatz, der die effektive Hundeerziehung unterstützt. Mittels Marker-Signal und positiven Reizen soll ein erwünschtes Verhalten verstärkt und von unerwünschten Verhaltensweisen abgelenkt werden.
Die Hundeforschung konnte in den letzten zwei Jahrzehnten bestätigen: Strafendes Verhalten führt bei Hunden zu Stress. Ist der Hund permanentem Stress durch Druck, Schreck, Schmerz oder Angst ausgesetzt, findet kein Lernprozess statt und das Tier wird darüber hinaus, wie auch ein Mensch, der ständigem Adrenalin ausgesetzt ist, krank. Insofern macht der positive Ansatz in höchstem Maße Sinn.
Hinzu kommt auch, dass sich der Trend der positiven Verstärkung konträr zu einem Ansatz stellt, der die sehr strenge Erziehung des Hundes im Fokus hat. Diese Gegenbewegung erscheint heutzutage vielen Hundefreunden notwendig, da nicht wenige Hundetrainer der aversiven Schule fälschlich auf extreme Dominanz setzen. Die dabei verwendeten Methoden– beispielsweise Elektroschocks oder Würgehalsbänder – gehen an einer liebevollen Hundeerziehung natürlich vollkommen vorbei.
Viele Hundehalter sind deshalb der Meinung, dass ein Hund rein durch positive Signale und damit vollkommen ohne strafendes Verhalten erzogen werden kann und sollte. Aber stimmt das?
Warum ist „strafendes“ Verhalten wichtig?
Warum die Erziehung mit ausschließlicher positiver Verstärkung selten, und wenn überhaupt, funktioniert: Selbst, wenn gutes Verhalten durch Belohnungen verstärkt wird, so wird der Hund sich dennoch oft problematisch verhalten.
Die Arbeit mit rein positiver Verstärkung verspricht, dass die Erziehung auch dann funktioniert, wenn man dem Hund ein alternatives Verhalten aufzeigt und dieses durch Belohnungen bestätigt. Aber wie soll das funktionieren, wenn der Hund beispielsweise mit schlammigen Pfoten auf dem Bett liegt? Man müsste hoffen, dass ermunternde Worte ihn vom Bett herunterbekommen, um dann einen positiven Reiz zu setzen, der das Verhalten verstärkt.
Noch drastischer ist die Situation, wenn der Hund Zigarettenstummel frisst und partout nicht davon ablassen will. Es ist also offensichtlich: Es müssen auch negative Reize gesetzt werden, um dem Hund inakzeptables Verhalten zu signalisieren, das einen sofortigem Abbruch der Handlung herbeiführt.
Im besten Falle sind Hund und Herrchen ein eingespieltes Team. Grundsätzlich muss dazu mit dem Hund auf natürliche Art kommuniziert werden. Und in unserer Welt beinhaltet dies auch tadelndes Verhalten, solange dieses mit Maß und Ziel eingesetzt wird. So funktioniert die Konditionierung am besten.
Wie Tadel für Hunde richtig funktioniert
Zuallererst: Hunde nutzen untereinander kein direkt strafendes Verhalten, kommunizieren aber dennoch klare Grenzen. Sie tadeln also. Das bedeutet, dass dem Hund durchaus signalisiert werden muss, dass man mit seinem Verhalten nicht einverstanden ist. Und das gelingt am besten mit klaren, kurze Signalen, damit der Hund das Verhalten abbricht und unmittelbar danach wieder ein harmonisches Miteinander eintreten kann. Zu den Tadel-Signalen zählen:
- Positive Strafe: ein unangenehmer Reiz wird hinzugefügt (z.B. Schimpfen)
- Negative Strafe: ein angenehmer Reiz wird entzogen (der Hund darf nicht mehr frei laufen, sondern muss an die Leine)
Grundsätzlich muss man mit strafendem Verhalten vorsichtig umgehen, das sieht die Schule der positiven Erziehung ganz richtig. Denn es besteht ein großer Unterschied zwischen Strafe und Gewalt. Werden die Grenzen des Hundes überschritten, kann dies die Beziehung zu Mensch und Hund negativ beeinflussen und das Vertrauen nachhaltig beschädigen.
Was zählt für einen Hund als positiver Reiz?
Für eine enge Beziehung ist, neben dem gesunden Tadel, ein liebevoller Umgang sehr wichtig. Dieser beinhaltet natürlich viele positive Reize und den richtigen Tonfall. Hier ist dabei wichtig, zu wissen, dass der Hund entscheidet, was ein positiver Reiz ist und was nicht. Als positiver Reiz zählt z.B.
- Streicheln
- Futter und Leckerlis
- Aufmerksamkeit
- Spielzeug
Je nach Hund kann ein anderer Reiz positiv sein. Manche Hunde mögen es nicht immer so gerne, wenn sie gestreichelt werden. Zum Beispiel dann, wenn sie sich konzentrieren. Was aber meistens funktioniert, sind ganz besondere, selbst gemachte Leckerlis. Beispielsweise funktionieren Barf-Rezepte wunderbar, aber auch Obst- und Gemüsesticks wie gekochte Kartoffeln.
Strenge Erziehung mit liebevoller Hand
Ein Ansatz kritisiert den anderen: Dem einen ist die Methode zu lasch, dem anderen zu streng. Tatsächlich aber gilt es wie immer, ein Mittelmaß im Spannungsfeld zwischen Lob und Tadel zu finden. Nicht alle Hunderassen sind gleich und jeder Hund ist individuell. Auch Hundebesitzer haben Charakter und es gilt, beide Wesenszüge zu einem Team zu vereinen.
Mit strenger Hand zu führen, bedeutet nicht gleich den Einsatz von Würgehalsbändern und Elektroschocks. Und ein positiver Ansatz bedeutet ganz einfach, dass man auch mit belohnenden Methoden weit kommen kann, wodurch gerne auch auf unnötig strafendes Verhalten verzichtet werden kann. Wie man am besten mit dem eigenen Hund kommuniziert, findet jeder Besitzer am besten selbst heraus, indem er verantwortungsvoll führend und mit Hausverstand handelt.